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truti
16 Dez 2021

Am Tisch mit Freunden

«Bist du nicht ganz bei Trost, Ändu!?», rutscht es mir raus, als ich bei meinem Freund in den Backofen schaue.

Ich bin zu einem Nachtessen bei ihm eingeladen und sehe vor mir einen riesigen Thanksgiving-Truthahn, der den ganzen Backofen ausfüllt. Als das gerupfte Federvieh den Ofen verlässt, duftet es herrlich. Das feine Essen wird geteilt und ich sitze vor einem vollen Teller. Obwohl ich nicht alle Anwesenden kenne, wird mir schnell klar, dass ich mich hier in bester Gesellschaft befinde. Schon bald vertieft sich der Smalltalk und wir tauschen uns über die Schwierigkeiten des Lebens aus. An diesem Abend wird mir bewusst, dass hier nicht einfach mein grosszügiger Freund der Geber und wir Gäste die Empfänger sind. Jeder einzelne gibt Anteil an seinem Leben, und alle nehmen Anteil am Erlebten der anderen. Und so werden aus den ausgesprochenen Worten plötzlich Zeichen der Liebe Gottes. Nicht alle am Tisch sind Gesprächsprofis oder haben eine Lösung für jedes Problem bereit. Doch das spielt keine Rolle, denn wir alle haben in den üblen Seiten des Lebens Gott erfahren und aus dieser Erfahrung anderen etwas weiterzugeben.

In der Zwischenzeit habe ich dem Buffet bereits den vierten Besuch abgestattet. Noch immer ist Platz frei in der Magengegend. Frei fühlt sich auch die Stimmung an, aber nicht nur, weil da noch ein halber Truthahn vor uns liegt. Es ist befreiend, miteinander so ehrlich und offen über die Schattenseiten des Lebens sprechen zu können. So werden wir einander bei diesem Festessen gegenseitig zum Trost.

Als ich später mit dem Fahrrad nach Hause fahre, regt das Pedalen meine Gedanken erneut an und mir wird etwas Neues bewusst: Oft kann ich gar nicht zwischen dem Trost, den Gott mir gibt, und dem Trost, den ich durch andere Menschen erfahre, unterscheiden. Beides knüpft direkt oder indirekt bei Gott an, dem Ursprung allen Trostes. Und deshalb bin ich beiden – Gott und meinen Freunden – für dieses besondere Thanksgiving dankbar.