Der unsichtbare Elefant steht als Metapher für ein offensichtliches Problem, das niemand anspricht. Ein Kurzimpuls von Dän Zeltner aus der diesjährigen Vorstandstour.
Das Bauchgefühl sagt es einem oft am schnellsten: Da stimmt etwas nicht. Aber die Angst davor, jemanden zu verletzen, hält uns davon ab, das Problem anzusprechen. Und wir wollen ja schliesslich kein «Gschtürm». Das gilt auch für unsere Kirchen und deren Teams und Kleingruppen.
Einige Beispiele: Jemand kommt regelmässig zu spät, doch alle lächeln und begrüssen die Person und man gibt ihr sogar noch eine kurze Zusammenfassung dessen, was sie in den letzten Minuten verpasst hat. Oder ein Pastor oder Vereinspräsident ist in der Gemeindeleitung beinahe unantastbar, denn er ist jeweils so gut vorbereitet, dass niemand sich sicher genug fühlt, um Gegensteuer zu geben. Oder da ist ein vielbeschäftigter, freiwilliger Mitarbeiter mit viel Verantwortung in der Gemeinde. Aber weil er so wenig Zeit hat, ist er von seiner Aufgabe überfordert, und da er sie nicht erledigt, können andere nicht weitermachen. Oder jemand reagiert bei einem bestimmten Thema immer so schnell emotional, nimmt alles sehr persönlich und ist beleidigt. Oder da ist ein Kassier, der immer gleich sagt, dass wir uns das nicht leisten können.
Ich habe mir drei Grundregeln angewöhnt, wie ich mit solchen Elefanten umgehe. Hier sind sie – in Reimform:
Manchmal ist der Weg dazu ein Eins-zu-eins-Gespräch, manchmal eine Gruppendiskussion. Ein Grundsatz dabei ist: Wir wollen niemanden blossstellen. Das Gespräch zu starten ist am schwierigsten: Es braucht Struktur, es braucht den richtigen Moment. Man kann es auch von der humorvollen Seite angehen, zum Beispiel beim Sitzungsprotokoll unter den An- oder eben Abwesenden den Elefanten aufführen. Oder einen aufblasbaren Elefanten ins Sitzungszimmer stellen oder als Hintergrundbild beim Zoom-Meeting einstellen.
Es gibt das Bild, wie eine Gruppe von Leuten im Dunkeln einen Elefanten untersucht: Jemand ertastet ein Bein und vermutet einen Baum, ein Anderer spürt den Stockzahn und denkt an einen Schaukelstuhl, ein Dritter spürt den Rüssel und stellt sich einen Staubsauger vor. Wir haben alle eine unvollständige Perspektive und eine subjektive Wahrnehmung. Trotzdem müssen wir darüber sprechen, was wir spüren, auch wenn es ein Herantasten ist – mit dem demütigen Bewusstsein, dass wir nicht alles wissen. Neunzig Prozent von Leiterschaft bedeutet, unangenehme Gespräche zu führen. Das Ziel dabei: Wir wollen den unsichtbaren Elefanten sichtbar werden lassen. Das Problem soll klar werden, denn dann kann aus dem Problem ein Prozess werden. Und wo ein Prozess startet, ist der Segen nicht mehr weit, denn:
Im 1. Petrusbrief 3,8-9 heisst es: «Seid alle eines Sinnes, voller Mitgefühl, liebt einander, übt Barmherzigkeit, seid demütig! Vergeltet nicht Böses mit Bösem, nicht üble Nachrede mit übler Nachrede. Im Gegenteil: Segnet, denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erben.» Aus einem Elefanten kann ein Segen werden. Jedes Mal, wenn ich nach einem unangenehmen Gespräch Fazit ziehe, spüre ich: Da, wo ich es mit der richtigen Haltung gemacht habe, entsteht Vertrauen. Wenn ich mir eine Superpower wünsche, dann ist es Vertrauen. Denn Vertrauen ist eine der wichtigsten Zutaten im Leben einer Kirche.
Fragen zur persönlichen Vertiefung:
Dieser Beitrag wurde als Kurzimpuls an der diesjährigen «Vorstandstour» – einem Treffen des nationalen Vorstands mit den lokalen Kirchenleitungen – gehalten.