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06 Mai 2022

Die Gemeinde: eine grosse Familie

Geht diese Aussage über die harmonische «Weihnachts-Familienwerbung» der Migros hinaus? Eine #amendazu!-Kolumne

«In der Gemeinde sind wir eine grosse Familie!» Diese Aussage höre ich immer mal wieder. Oft habe ich aber den Eindruck, sie geht nicht über die harmonische «Weihnachts-Familienwerbung» der Migros hinaus: Alle sitzen in trauter Eintracht glücklich und generationenübergreifend in der picobello aufgeräumten Wohnung und schenken sich ein Zahnpasta-Lächeln.

Dabei kann Familie so anstrengend sein! Wir konnten sie uns ja nicht aussuchen. Gerade die eigenen Geschwister reiben uns unsere Schwächen besonders gerne unter die Nase. Jahrelang mit denselben Menschen unterwegs kommt es oft zu Ermüdungserscheinungen und Spannungen. Und sind wir ehrlich: Im Gegensatz zur Herkunftsfamilie ist ein Austritt aus der Gemeindefamilie ziemlich einfach – sobald es «nicht mehr stimmt für mich.»

Eine liebgewonnene Frau aus der Kirche erzählte mir, dass sie sich mit ihren bald 50 Jahren endlich dazugehörig und angenommen fühlt. Nachdem sie Gott kennenlernte und Teil der Kirche wurde, erfuhr sie die Sicherheit, dass Menschen auch durch schwierige Zeiten zu ihr stehen, und dass sie so, wie sie ist, eine Berechtigung zu leben hat.

Und plötzlich entsteht ein tieferes Bild: In der Bibel gab es keine gutbürgerliche Kleinfamilie mit 1,5 Kindern. In einer Sippe ging es immer um Verlässlichkeit, Sicherheit und Zugehörigkeit. Familie war Schutz, Altersvorsorge und Beheimatung. Wenn es uns in der Gemeinde auch nur ansatzweise gelingt, diese soziale Verantwortung wahrzunehmen, unabhängig von Sympathien und individualistischen Vorstellungen, dann kann ich zu der Aussage «Wir sind eine Familie» echt und ehrlich sagen: Amen dazu!