Find a church
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31 Jul 2021

Familie nach Wahl?

Mensch und Kirche. Wie finden sie einander? Wer wählt wen? Ein Erfahrungsbericht.

Ich freute mich darauf. Nach sieben Jahren in der Aufgabe als Pastor stand mir durch den Umzug nach Kanada eine Zeit bevor, in der ich mir ganz frei und unbeschwert eine Kirche aus- und als stinknormales Mitglied besuchen konnte. Da die Zahl der Kirchen in Vancouver nicht unbeträchtlich war, hatten wir eine Auswahl, wie es der postmoderne Mensch mag: Sonntag für Sonntag besuchten wir verschiedene Kirchen und rapportierten auf dem inneren Feedbackbogen, was uns gefiel und was nicht.

Doch die anfängliche Freiheit wurde schon bald zum Stress. Keine Kirche war perfekt. Hier war die Predigt zu lang, da die Kinderbetreuung mässig, dort lag der Sänger einen halben Ton daneben. Mein Jurymodus kam mir zunehmend schräg vor und ich spürte: Da ist etwas Grundlegendes verkehrt. Es war, als würde ich zwischen den Verkaufsständen eines Jahrmarkts schlendern, um mir eine Familie auszuwählen: «Schwestern zum halben Preis!» «Brüder: zwei für einen!» Doch ein wesentliches Merkmal der Kirche ist, dass sie mir gegeben wird. Nicht ich wähle sie aus. Auch nicht sie befindet mich für würdig (oder nicht). Wir werden zusammengeworfen. Von einem Grösseren.

So nervig das manchmal ist, so befreiend ist es. Bei der Familie muss ich mir nicht jedes Mal überlegen, ob sie es noch ist. Mein Bruder bleibt mein Bruder. Natürlich ist das idealistisch gedacht. Familien können auseinanderbrechen. Auch Kirchen können das – unsere menschliche Beziehungsunfähigkeit lässt grüssen. Trotzdem ist es ein gesunder Schuss vor den Bug meines Individualismus, wenn mir die Anzahl Lokalkirchen meiner Region wieder einmal «Verkehrte Welt» vorgaukelt, wer hier eigentlich wen wählen kann. Denn neben allen unterschiedlichen Prägungen der einzelnen Kirchgemeinden bleibt das Grundsätzliche doch bestehen: Die Kirche ist mir gegeben, und gerade das hilft mir, sie als Familie zu erleben und zu leben.