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08 Aug 2022

Wiedersehen nach 37 Jahren

Nach fast vier Jahrzehnten bin ich zum ersten Mal wieder in jenem Land, wo ich sechs Jahre meiner Kindheit verbracht hatte: Kamerun. Ein Erfahrungsbericht

«A new proven way to communicate the gospel for unreached people groups” (Ein neuer, bewährter Weg, das Evangelium unerreichten Personengruppen zu kommunizieren) war das Thema der Konferenz der Apostolic Church of Cameroon. Franck, Jonathan und mein langjähriger Freund Frédéric (wir lernten uns als kleine Kinder von Missionaren in Kamerun kennen) besuchten diese Konferenz als Delegierte von MissionPlus. Der Hauptreferent ist den Teilnehmenden der Ministry Conference 2019 in Winterthur bekannt: Dr. Yemiru.

Ein schwelender Konflikt

Etwa 500 Personen, die meisten davon Pastoren, waren anwesend, die Konferenzsprachen Englisch und Französisch. Auch wenn der schwelende Konflikt zwischen den Sprachregionen, der zeitweise bürgerkriegsähnliche Züge angenommen hatte, kein offizielles Thema war, sprach ich einzelne Pastoren persönlich auf ihr Erleben an und hörte dabei Erschütterndes: niedergebrannten Häuser, Todesopfer und Flucht in den Dschungel. Ähnlich wie im gegenwärtigen Krieg in der Ukraine kamen Vertriebene in anderen Regionen des Landes bei Verwandten unter.

Franck in Aktion an der Pastorenkonferenz Franck in Aktion an der Pastorenkonferenz

Folgende Aussagen an der Konferenz brachten mich zum Nachdenken: Afrika sei christianisiert und «überevangelisiert», jedoch nicht «gejüngert». Zudem seien nicht grosse «Elefantenkirchen» mit einer «Chumm-i-d’Chilä-Strategie», sondern viele kleine «Hasenkirchen», die zu den Menschen hingehen, am besten dafür geeignet, den Auftrag von Jesus auszuführen. Wenn dieses Umdenken gelingt, würden noch viele Unerreichte – insbesondere Muslime – in Kamerun zu Jesusnachfolgern werden. Ich frage mich: Gilt nicht für uns in der Schweiz dasselbe?

Begegnungen, die Spuren hinterlassen

Das zweite offizielle Treffen fand im Norden des Landes mit etwa 40 Teilnehmern aus verschiedenen Denominationen statt. Mit dabei auch drei Personen aus dem benachbarten Tschad, denen MissionPlus die Teilnahme finanzierte. Auch hier forderte Dr. Yemiru mit seinen Gedanken heraus, wie Menschen in ihrem Kontext erreicht werden können. Die Hingabe der Teilnehmenden, für das Evangelium alles zu geben – wortwörtlich auch das eigene Leben – beeindruckte mich tief. Die Begegnungen und Einblicke in die Leben dieser Männer und Frauen liessen mich bescheiden, wenn nicht gar beschämt werden. So etwa ein Mann, der mit seiner Frau und der einen Tochter während sieben Jahren weit im Norden des Landes eine «école de fille» (das ist eine Schule für Mädchen, wobei der Begriff «Mädchen» sehr weit gefasst ist) geführt hatte. Boko Haram und damit die Entführung von Mädchen sind eine ständige, reale Bedrohung. Ich war erschüttert zu hören, dass Soldaten aus dem Tschad, die die Menschen dieser Region eigentlich vor Boko Haram beschützen sollten, selbst äusserst brutal vorgingen und sogar Frauen und Mädchen vergewaltigen. Jesus spricht nicht umsonst von Schafen mitten unter den Wölfen (Lukas 10).

Was kostet wohl ein Haarschnitt in diesem Freiluftsalon? Was kostet wohl ein Haarschnitt in diesem Freiluftsalon?

Fidel Castro in Kamerun

Während des Treffens amtete Fidel Castro – dessen kamerunische Ausgabe, versteht sich 🙂 – als gewandter Übersetzer, wobei amüsant war, dass er aus demselben Dorf stammt, in dem ich sechs Jahre als Kind gewohnt hatte. Seine Frau erntete Applaus, als sie mühelos die zehn genannten Prinzipien aus Lukas 10 wiederholen konnte. Leider mussten wir wegen des Anschlusses an den internationalen Flug vor Konferenzende abreisen. Drei der vier Hauptverantwortlichen begleiteten uns zum Flughafen. Auch diese Ehrerbietung hat mich tief beeindruckt!

Was bleibt?

Schaue ich auf meine Reise zurück, erfasst mich zuerst einfach Dankbarkeit, dass ich nach so vielen Jahren das Privileg hatte, Kamerun zu besuchen. Ich habe diese offenen und grundsätzlich fröhlichen Menschen einfach gern. Mein Anliegen ist es, dass die Partnerschaft unserer Bewegung mit Kamerun weiter besteht. Wir wollen – in aller Unterschiedlichkeit zwischen ihnen und uns – ein Segen für sie sein, denn sie sind auch ein Segen für uns. Die Hingabe dieser Menschen konfrontierte mich stark mit der Frage, wie viel es mich kosten darf, Menschen für Jesus zu erreichen. Welchen Preis bin ich bereit zu bezahlen? Was ist mir in meinem Leben wichtig, und was lasse ich bleiben?

 

Christian und Frédéric vor gut 40 Jahren (die beiden Jüngsten auf dem Bild) Christian und Frédéric vor gut 40 Jahren (die beiden Jüngsten auf dem Bild)

Wiedersehen an der Fussball-WM

In Douala, der grössten Stadt Kameruns, besuchten wir die katholische Unterkunft, in der wir manchmal als Familie auf der Durchreise gewesen waren (und wo mich Gaston Gentizon schwimmen gelernt hat). Dabei beeindruckte mich das menschliche «Geruchsgedächtnis»: Der Geruch in den Zimmern der Unterkunft und in den Strassen – eine Mischung aus Duft von Essen, Rauch und anderem – hat sich seit meiner Kindheit nicht verändert. Übrigens: An der kommenden Fussballweltmeisterschaft ist die Schweiz in derselben Gruppe wie Kamerun. Die Angestellten am Flughafen, mit denen wir uns bei den Kontrollen kurz unterhielten, freuten sich sehr, als sie hörten, dass Frédéric und ich Kamerun unterstützen werden. Hopp Kamerun!

Mitarbeitende aus unserer Bewegung haben in den vergangenen Jahrzehnten einen hohen Preis bezahlt, um beim Aufbau einer Bewegung zu helfen, die unsere mittlerweile um ein Vielfaches übersteigt. Halleluja! Genial, dass wir auch weiterhin partnerschaftlich unterwegs sind und auch im geistlichen Sinne mitfiebern dürfen: Hopp Kamerun!