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2_wenn die jungen
20 Okt 2023

Wenn die Jungen geschwächt sind …

… dann hat das auch mit den älteren Generationen zu tun. Das Plädoyer eines Brückenbauers.

Wer mit 2. Korinther 12,9 argumentiert, dass Schwachheit doch auch okay sei, weil darin die Gnade Gottes stärker zur Geltung komme, darf getrost schwach bleiben. Aber dieser Artikel entschuldigt Schwachheit nicht, denn niemand ist freiwillig schwach. Stark sein ist erstrebenswert – das gilt auch für die Kirche. Und wie das gehen sollte, lesen wir im Psalm 78, der mich momentan ziemlich bewegt:

«Ich will euch an frühere Zeiten erinnern, euch Gottes geheimnisvolle Führungen zeigen. Wir kennen das alles seit langen Jahren, weil wir immer wieder davon hörten, wenn unsere Väter es uns erzählten. Wir wollen es unseren Kindern nicht verschweigen. Auch die kommende Generation soll hören von der Macht des HERRN, von seinen Wundern, von allen Taten, für die wir ihn preisen.»

Hier nehmen sich ein paar reife Männer und Frauen vor, der kommenden Generation einen Zugang zu dem zu verschaffen, was Gott im Leben ihrer Vorfahren Wunderbares getan hat. Sie haben es schliesslich im eigenen Leben erfahren, wie matchentscheidend die Geschichten ihrer Vorfahren waren, um die herausfordernde Gegenwart zu meistern und die Zukunft verheissungsvoll zu gestalten. Nur ein paar Verse später sehen wir aber auch, was die Konsequenzen sind, wenn es nicht gelingt, der nächsten Generation eine Brücke zu unserem Glaubenserbe zu bauen:

«Die Männer von Efraïm, mit Pfeilen und Bogen gerüstet, ergriffen am Tag des Kampfes die Flucht. Sie hielten sich nicht an den Bund mit Gott und weigerten sich, seiner Weisung zu gehorchen. Sie vergassen die machtvollen Wunder, die er vor ihren Augen getan hatte.»

Hier zog sich eine junge, kräftige und gut ausgerüstete Generation im entscheidenden Moment vor ihrer Herausforderung zurück. Ihr fehlten die Vorbilder im Glauben und deren Zeugnisse. Die Efraïmiter wussten schlicht nicht, was ihr Erbe war. Folglich fehlte es ihnen an Mut, sich dem Feind zu stellen. Wer in Zeiten des Kampfes Gottes Verheissungen nicht vor Augen respektive in seinen Ohren hat, dem fehlt die Stärke, die es zum Siegen braucht. Vorbilder sind für unsere Augen und Zeugnisse für unsere Ohren unerlässlich!

Leider sehe ich seit der Pandemie einen starken Einbruch bei den 20- bis 40-Jährigen. Im Austausch mit diversen Gemeindeleitenden aus unterschiedlichen Denominationen zeichnet sich schweizweit dasselbe Bild ab: Die jungen Erwachsenen sind in der Krise. Im Gemeindeleben widerspiegelt sich dies durch ihre Absenz in den Gottesdiensten und ihren Rückzug als tragende Mitarbeitende. Ich wage zu behaupten, dass wir als Leib Christi seit Corona tatsächlich eine Generation verloren haben. Für mich ist es ein Weckruf, diese Generation wieder zu erreichen. Denn die Kirche ist schwach, wenn die Jungen geschwächt sind. Wenn der Lauf unserer Jungen nicht wie derjenige der Efraïmiter enden soll, dann müssen wir als ältere Generation mit unseren Zeugnissen für sie eine Brücke bauen. Als langjähriger Brücken-Fan ist für mich das Aquädukt von Segovia zum Mahnmal dafür geworden.

Das Aquädukt von Segovia in Zentralspanien stammt aus der Blütezeit des römischen Imperiums und führte jahrhundertelang frisches Quellwasser aus den Bergen der Sierra de Fuenfria über ca. 17 Kilometer Entfernung in die Stadt. Das Aquädukt von Segovia in Zentralspanien stammt aus der Blütezeit des römischen Imperiums und führte jahrhundertelang frisches Quellwasser aus den Bergen der Sierra de Fuenfria über ca. 17 Kilometer Entfernung in die Stadt.

Es handelt sich bei diesem Monument um das bedeutendste zivile Bauwerk Spaniens aus der römischen Zeit. Das rund 28 Meter hohe und 818 Meter lange Aquädukt besteht aus insgesamt 127 Bögen. Die Granitblöcke wurden ohne Mörtel aufeinandergesetzt und haben all die Jahre standgehalten. Der spanische Schriftsteller Miguel de Unamuno erzählt davon, dass dieses prachtvolle Werk über 60 Generationen hinweg die Bewässerung Segovias sicherstellte. Dann, in der Neuzeit, meldeten sich die Denkmalschützer zu Wort. Sie schlugen vor, dem Aquädukt seinen verdienten Ruhestand zu gönnen, damit dieses auch für weitere Generationen ein Wahrzeichen bleiben würde. Dieser Vorschlag wurde prompt umgesetzt. Man baute neue Wasserleitungen und verhinderte somit, dass das Wasser wie bisher über die historischen Steine des Aquädukts floss. Doch was dann geschah, hatte niemand vorausgesehen. Das alte römische Konstrukt fing an, auseinanderzubröckeln. Die Hitze der Sonne verursachte Risse in den Steinen, da diese nicht mehr durch das Wasser gekühlt wurde. Was viele Jahrhunderte lang treu Dienst geleistet und wenige Abnützungserscheinungen gezeigt hatte, wurde durch seinen Stillstand in wenigen Jahren beinahe zerstört.

Eine Kirche, die es nicht schafft, der nächsten Generation die Ohren und die Herzen mit all den guten Geschichten von Gottes Eingreifen zu füllen, wird buchstäblich versanden. Im Gemeindebau braucht es einen ununterbrochenen Fluss an frischem Lobpreis, lebendigen Zeugnissen, erquickenden Zusprüchen, damit unser Erbe nicht zu bröckeln anfängt. Anstatt den Jungen vorzuwerfen, dass sie ihre Prioritäten falsch setzen, sollten wir als ältere Generation unsere Verantwortung als Brückenbauer übernehmen. Hier sind drei praktische Tipps, welche uns als Lokalkirchen helfen können, die Negativspirale der jungen Erwachsenen wieder ins Plus zu bewegen; denn – nomen est omen – wir sind schliesslich die BewegungPlus:

1. Der Lobpreis in der Cafeteria

Wer sich nach einer eher langweiligen Sonntagspredigt zum Ziel setzt, schnurstracks zu einem aufpeppenden Koffeingebräu zu kommen, um danach in der Cafeteria noch mit seinen Freunden aus der Kleingruppe über das Wetter zu reden, sollte jetzt Busse tun. Die ersten zwanzig Minuten nach dem Schlusssegen sind essenziell für den Gemeindebau! Denn da gehen wir als BewegungPlüssler aufeinander zu und erwarten, dass wir durch einfühlsame Anteilnahme und ehrliches Interesse am Gegenüber einander weiterbringen und ins Plus ermutigen. Denn hier findet der wahre Lobpreis statt. Wenn dir dein Gegenüber klagt, wie streng seine Woche war oder wie stark sie gesundheitlich angeschlagen ist, dann ist deine beste Antwort ein Lobpreis über Gottes Güte. Bestimmt hast du eine ähnliche Situation auch schon er- und überlebt. Deshalb ist es deine Verantwortung, die alltäglichen Geschichten, die du mit Gott erlebt hast, mit andern zu teilen – insbesondere mit Jüngeren und Schwächeren. Wenn du erst aus der Kirche läufst, nachdem du mindestens jemanden persönlich ermutigt hast, dann ist deine Gemeinde durch dich soeben stärker geworden!

2. Die Predigt am Tisch

Das wichtigste Möbel im Reich Gottes ist der Tisch. Jesus war schliesslich auch Tischler – jedenfalls wird im griechischen Urtext für seine Berufsbezeichnung das Wort Tektōn verwendet, was auf wörtlich «Platte» bedeutet. Die beste Plattform, um Gemeinde zu bauen, ist nicht die Bühne, sondern der Tisch. Essen ist der mit Abstand beste Köder, um junge Menschen zu versammeln. Eine Jugendgruppe funktioniert, wenn es ein fettes Budget für Food gibt. Teenager mögen sich den ganzen Tag zu Hause im eigenen Zimmer verkriechen, aber sobald es Essen gibt, nehmen sie an der gemeinschaftlichen Tafel der Familie teil. Zu meinen besten Erinnerungen aus der Jugendzeit gehören die Einladungen zum Mittagessen im Anschluss an den Gottesdienst. Als Teenieband wurden wir ab und zu nach unserem Einsatz im Morgengottesdienst von gestandenen Gemeindegliedern nach Hause eingeladen und verwöhnt. Sie hatten verstanden, wie man als ältere Generation für die Jüngeren relevant und interessant bleibt. Die Geschichten am Tisch haben mich geprägt, und nicht wenige davon kamen mir mitten in meinen Herausforderungen wieder in den Sinn und gaben mir Halt. Wenn du einen Tisch zu Hause hast und eines der zwei populärsten italienischen Gerichte zubereiten kannst, dann sorg dafür, dass die Jungen der Gemeinde an deinem Tisch regelmässig kulinarisch und geistlich gestärkt werden!

3. Der Zuspruch per Brief

Wir werden mit digitalen Nachrichten überflutet. Eine Happy-Birthday-WhatsApp-Message hat weder für den Sender noch für den Empfänger Gewicht, eine handgeschriebene Karte jedoch schon. Daran muss man im Voraus denken, die Wortwahl muss gut überlegt sein und es kostet einen den Weg zum Briefkasten sowie das Porto. Als wir letztes Jahr umzogen, habe ich beim ruchlosen Ausmisten rund 400 Kilo Hausrat entsorgt. Was ich – einmal mehr – nicht wegwerfen konnte, waren all die handgeschriebenen Karten und Briefe, die ich seit meinem 20. Lebensjahr sammle. Darunter sind persönliche Segenswünsche, prophetische Eindrücke, Ermutigungen sowie Rückmeldungen und Wertschätzungen zu meinem Dienst. Interessanterweise wurden 95 Prozent dieser Briefe von älteren Menschen geschrieben. Ihre handgeschriebenen Worte stellten in einem jeweils spezifischen Moment die Weichen meiner Zukunft. Als ich 2008 von Equippers London verabschiedet wurde, um in Berlin eine Gemeinde zu gründen, wurde ich von vielen Menschen aus der Kirche für meinen Dienst geehrt. Doch es waren nicht die rund 200 Worshipzeiten, die ich während den fünfeinhalb Jahren leidenschaftlich geleitet hatte, die am meisten geschätzt wurden. Vielmehr waren es die Ermutigungskarten, die ich in meiner Rolle als Lobpreisteam- und Studentengruppenleiter einmal pro Woche an eines «meiner Schäfchen» schickte. Fast ausnahmslos war diese «Glückspost» das, die mir am höchsten angerechnet wurde.

Genug der Worte, was ist dein Beitrag, um die Jungen in deiner Gemeinde zu stärken? Über weitere animierende Ideen und/oder deine persönlichen Erfahrungen als Brücken- und Gemeindebauer würde ich mich sehr freuen: d.zeltner@bewegungplus.ch.