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stockleben
13 Jun 2023

Mit Stock, doch ungebrochen durchs Leben

Muniras Lebenstempo war hoch – zu hoch, fand sie. Doch dann verlangsamte sich das Tempo ihres Lebens auf eine Weise, mit der sie nicht gerechnet hatte und die ihr Leben und ihren Glauben herausforderte.

Wir feiern den ersten Gottesdienst des Jahres, und wie üblich werden Jahreslosungen gezogen. Während des Abendmahls kommt Munira auf mich zu, ihren Gehstock umklammernd, mit einem Lachen auf dem Gesicht. Sie hält mir ihre Losung hin: «Nur Gott ist mein Fels, meine Hilfe, mein Schutz, dass ich nicht wanken werde» Psalm 62,3. Vor acht Jahren ging Munira noch ohne Stock durchs Leben. Ihr Alltag war mit Tätigkeiten an unterschiedlichen Arbeitsstellen und als Mutter von vier erwachsenen Kindern so ausgefüllt, dass sie Gott bat, sie aus diesem Hamsterrad herauszunehmen. Ein Schlaganfall tat dies dann abrupt und brutal: Auf zwei Wochen Spitalaufenthalt folgten drei Monate stationäre Rehabilitation. Doch trotz halbseitiger Lähmung und kognitiven Einschränkungen fühlte Munira sich von Gott getragen. Sie war entschlossen, ihre Mobilität zurückzuerlangen und wieder in den Berufsalltag einzusteigen – und schaffte dies auch.

Doch ein Jahr später erlitt sie erneut einen Schlaganfall. Er brachte glücklicherweise keine wesentlichen Beeinträchtigungen mit sich, aber Munira gab ihre Tätigkeiten auf, um sich vermehrt um ihre Enkelkinder kümmern zu können. Zwei Jahre später kam ein nächster, schwerer Schlaganfall dazu, der beide Gehirnhälften betraf. Von diesem erneuten Rückschlag tief enttäuscht, war Munira wütend auf Gott und haderte mit ihrer Situation. Dank der Reha machte sie allmählich Fortschritte, doch ihre Mobilität blieb stark eingeschränkt.

Dann geschah etwas Unerwartetes: Im Dezember 2022 begleitete sie eine Frau der Gemeinde zu einer Seelsorgeberatung. In diesem Gespräch sprach Gott deutlich zu dieser Frau und rührte sie heilsam an, so dass sie befreit und verändert nach Hause gehen durfte. Und nicht nur die junge Frau erlebte Gottes Berührung: Tief bewegt von Gottes Handeln, konnte Munira ihren Groll und Schmerz über ihre Situation ablegen. Etwas Heilsames nahm in ihr Raum ein, so dass es ihr plötzlich gelang, Menschen zu vergeben, die sie tief verletzt hatten. Zwar hinkt Munira nach wie vor durchs Leben, doch in ihrem Inneren ist ein Prozess der Heilung angebrochen.