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05 Mai 2024

«Ich bin religiös …»

Warum es nicht hilft, den christlichen Glauben gegenüber dem Begriff «Religion» abzugrenzen. Eine #echtjetzt?-Kolumne

«Ich habe keine Religion, ich glaube an Jesus.» Immer wieder begegnet mir dieser Satz. Ich ahne, wie er gemeint ist, halte ihn aber für höchst ungeeignet. Ja, der Begriff Religion fokussierte in gewissen Zeiten auf die Beachtung von Geboten und Vorschriften, um göttliche Mächte gnädig zu stimmen. Und ja, die Botschaft von Jesus Christus lautet genau andersrum: Nicht wir müssen Gott gnädig stimmen, sondern er ist es bereits und stimmt deshalb uns gnädig (gegenüber unseren Mitmenschen) und dankbar (gegenüber ihm). So weit, so wahr.

Heute jedoch wird «Religion» von 99,9 Prozent der Menschen als der Glaube an eine transzendente Macht verstanden und hat nichts mehr damit zu tun, sich mit guten Taten den Himmel verdienen zu wollen. Sprache dient im besten Fall dazu, verstanden zu werden. Eine Tomate ist streng botanisch gesehen eine Frucht – und trotzdem schnetzelt sie niemand in den Fruchtsalat. Wenn ich einem Gottesdienst das Prädikat «merkwürdig» gebe, ist das nicht ein Kompliment (im wörtlichen Sinn von merk-würdig), sondern zeugt wohl eher von einem hohen Cringe-Faktor auf der Kirchenbank.

Im Himmel werden keine Preise für die höchste Berücksichtigung von Ursprungsbedeutungen verliehen. Den christlichen Glauben von Religion abzugrenzen, sorgt deshalb bei unseren Zeitgenossen bloss für Stirnrunzeln und ist etwa gleich hilfreich wie, wenn jemand mit dem Blick auf die Wolken konstatiert: «Heute scheint die Sonne nicht», zu antworten: «Doch, sie scheint schon, aber wir sehen sie nicht.» Echt jetzt?